deutsch
Cantos de Sombras ist nach dem Zyklus Rulfo/voces/ecos für Streichtrio und Elektronik (2004-06) eine weitere Annäherung an das Werk des mexikanischen Schriftstellers Juan Rulfo und wurde als Teil eines Musiktheaterprojektes nach dem Roman Pedro Páramo konzipiert. Obwohl es nur schwer möglich erscheint, diese Texte einzuordnen, ohne den gesamten Kontext des Romans zu erfahren, könnten diese fragmentarischen Klangbilder wenigstens imstande sein, den Zuhörer in die Schattenwelt Rulfos einführen.
Wenn wir den Roman als die Geschichte des Untergangs des Dorfes Comala zu den Zeiten der mexikanischen Revolution aufgrund der Unfähigkeit seiner Bewohner, ihr historisches Schicksal in der Hand zu nehmen, gefangen in einer mythischen Zeit, beherrscht durch die gnadenlose Macht des Kaziken Pedro Páramo und ein Gewebe aus Gewalt, Hoffnungslosigkeit und Aberglauben begreifen, kann die Figur von Susana San Juan –auf die sich die vier Fragmente beziehen– als möglicher Schlüssel dienen. Susana, die Jugendliebe von Pedro, war die Ursache seiner nicht verwirklichten Liebe, aufgrund welcher Pedro letztendlich das Dorf unterwarf und schließlich zerstörte. Susana erscheint als die einzige Figur, die imstande war ihre Autonomie zu bewahren, ihre Liebe zu verwirklichen und sich der dreifachen Unterwerfung durch Pedro, ihren Vater und ein enges gesellschaftlich-religiöses Umfeld zu entziehen. Anhand von Susana gewinnt die Idee der Revolution als Akt der Befreiung eine neue Bedeutung.
Die Texte spiegeln vier Schlüsselmomente ihres Lebens wider: die „Zeit des Windes“, Pedros idealisierte Erinnerung seiner glücklichen Kindheit mit Susana; Susanas Riten sinnlicher Verwirklichung im Meer; die Zeiten ihres Deliriums versinnbildlicht durch den unaufhörlichen Regen und schließlich, der Augenblick ihres Todes in dem sie bis zum Schluss dafür kämpft, ihren inneren Frieden gegen die grausamen Visionen, die ihr aufgedrängt werden und ihr mutmaßliches Heil bringen sollen, zu behaupten.
Die Konzeption und Ausarbeitung der Teile I und II wurde im Rahmen der DAR Residency, ermöglicht durch die Litauische Komponisten Gesellschaft in Druskininkai im Juli 2013 fertiggestellt.